Anfang Juli wurde bekannt, dass Deutschland 200 Kampfpanzer des Typs Leopard II A7+ an Saudi Arabien liefern wird. Ein geheimgehaltener Verkauf, der nun allerdings für heftigste Diskussionen auch innerhalb der Regierungsparteien sorgt. So spricht etwa Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDI) von einem "indiskutablen" Geschäft. Deshalb wurde noch vor der Sommerpause im Bundestag über den "Leo-Deal" debattiert - und dies in gleich zwei Sitzungen. Den Ball ins Rollen brachte die "Süddeutsche Zeitung", als sie über die gefallene Grundsatzentscheidung des Bundessicherheitsrates berichtet hatte - nun ginge es nurmehr um die Einzelheiten. Von offizieller Seite allerdings hielt man sich sehr bedeckt. So meinte Bundesverteidigungsministers Thomas de Maiziere, dass dieses Gremium seine Tagungen geheim abhalte, woran er auch nichts ändern werde. Bis zu diesem Mittwoch (06. Juli) herrschte also Stillschweigen - auch in der Fraktionssitzung der Unions-Parteien erwähnte Kanzlerin Angela Merkel den Deal mit keinem Wort. Doch war es die Opposition, die Licht in die Sache bringen wollte und den Leopard alsdann in die Aktuelle Stunde des Bundestags brachte. Sehr viel mehr war allerdings auch hier nicht zu erfahren. Es gehe um eine Gesamtabwägung der Sicherheitsinteressen im Nahen Osten - so die Regierungsparteien! Saudi Arabien hat bereits 44 des nach Expertenmeinung derzeit besten Kampfpanzers der Welt geordert, will aber das Angebot nun auf 200 aufgestockt wissen. Doch dies stößt so manchem Berliner Politiker sauer auf. Nicht dass wir die geschätzten 1,7 Milliarden Euro der Ölscheichs nicht brauchen könnten! Die USA wickeln im Vergleich dazu derzeit Rüstungsgeschäfte in der Höhe von 70 Milliarden Dollar mit der saudischen Herrscherfamilie ab. Deutschland gehört nicht unbedingt zu den von den Saudis bevorzugten Rüstungsexporteuren, nahmen doch die Regierungen aus Bonn und Berlin (nach Helmut Schmidt) immer wieder Rücksicht auf die Interessen Israels. Befürchtungen werden laut, dass die Panzer auch in Saudi Arabien selbst verwendet werden könnten. Bei einem politischen Umschwung etwa. So hatten die saudischen Scheiche die Regierung von Bahrein bei der Niederschlagung der Protestbewegung ebenfalls mit Panzern unterstützt. Zum Zeitpunkt, als die Entscheidung des Bundessicherheitsrates am 27. Juni des Jahres fiel, hatten Washington und Tel Aviv bereits grünes Licht erteilt. Dies wurde mit zwei grundsätzlichen Problemen begründet: Nach wie vor schließen Sicherheitsexperten eine Militäraktion des Iran gegen Israel nicht aus. Riad ist immer wieder damit beschäftit, hierbei das Gleichgewicht zu halten. Daneben gilt Saudi Arabien als einzig verbliebener arabischer Verbündeter des Westens, nachdem die Lage hier durch die nunmehrigen Volksregierungen instabil geworden ist. Produziert in den Werkshallen von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Rheinmetall singen Rüstungsexperten wahre Lobeshymnen auf das Kriegsgerät. Entwickelt aus dem Prototyp Leopard PSO wurde diese Kampfmaschine der 3. Generation vornehmlich für den Ortskampf (Military Operations in Urban Terrain) entwickelt. In Militärkreisen spricht man dabei von "asymmetrischen Bedrohungen" - etwa dem Einsatz gegen Terroristen oder Sprengsätze. Die Rundumpanzerung wurde entscheidend verstärkt. Der schneepfluggleiche Räumschild dient zur Beseitigungen von Barrikaden und Minen. Die Bewaffnung besteht aus einer Glattrohrkanone L/55 und einer ferngesteuerten Waffenstation mit ungekühltem Wärmebildgerät. Durch eine "Kampfraumkühlanlage" und einem 360-Grad-Kamerasystem mit Wärmebildgerät, Restlichverstärker und Tagsicht ist der Panzer in allen Klimazonen der Erde zu Tag aber auch zur Nacht einsetzbar. Der Preis liegt bei acht Millionen Euro pro Gerät. Der Leopard IIA7+ ist bei der Bundeswehr noch gar nicht im Einsatz. Das Geschäft ist deshalb mehr als heikel, als die deutschen Rüstungsexporte genauen Richtlinien unterliegen. Sie verbieten beispielsweise eine Lieferung in Krisengebiete. Auch innerhalb der CDU/CSU herrscht zweigeteilte Ansicht. So meinte der Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann, dass dieser Deal außen- und menschenrechtliche Konsequenzen habe. Deshalb wolle man zuvor über eine solch schwerwiegende Entscheidung zumindest diskutiert haben. Vor allem das Eingreifen der Saudis in Bahrein untermauere diese Bedenken. Auch beim Koalitionspartner FDP werden immer mehr Gegenstimmen laut: Das Geschäft müsse aufgeklärt werden, verlangt etwa Wolfgang Gerhardt. Die Opposition wettert: Linke-Chef Gregor Gysi spricht von einem "Skandal", die Generalsekretärin der SPD, Andrea Nahles von einer Missachtung des Bundestages. "Hier wird das gesamte Parlament am Nasenring durch die Manege geführt!" Für Nahles ist es angesichts der Enthaltung Westerwelles beim Libyen-Mandat der UNO eine Provokation. Der grüne Fraktionschef Jürgen Trittin betont, dass ein solches Geschäft in einer Zeit, zu welcher Araber für die Demokratie streiten, nicht angehe. Außerdem weiß der Verfassungsschutz über ein Naheverhältnis der in Riad tonangebenden Wahhabiten zur militanten Gruppe der Salafisten, einer in Deutschland als gefährlich eingestuften Sekte. Tatsächlich gilt der Staat auf der arabischen Halbinsel als inzwischen nicht mehr wirklich stabil. Für den Zusammenhalt sorgt derzeit noch der 1924 geborene König Abdullah ibn Abd al-Aziz Al Sa'ud. Auch der Kronprinz, Sultan ibn Abd al-Aziz, ist bereits 83 Jahre alt. Der Staat ist einer der letzten noch verbliebenen absoluten Monarchien, wobei der König "von den Gesetzen losgelöst" ist ("legibus solutus"). Um dabei diese Macht nicht langsam durch die Finger gleiten zu lassen, wird vermehrt zu autokratischen Mitteln gegriffen, die nicht immer im Gleichklang mit den Menschenrechten stehen. Im Jahre 2005, als König Fahd starb, galt die Herrscherfamilie noch als unantastbar - dies hat sich aber inzwischen geändert. Deshalb befürchten besonders westliche Polit-Experten das Schlimmste, sollte König Abdullah ableben. Ein netter Vergleich noch zum Schluss: Der Verkehrsclub Deutschland kritisierte dieser Tage den Regierungsentwurf zur Fahrzeugklassifizierung. So lande etwa der 72 Stundenkilometer schnelle Leopard 2 mit seinen 62 Tonnen und einem CO2-Ausstoss von 1.500 Gramm pro Kilometer bei diesem Entwurf in derselben Klasse wie der VW Golf 1.4! Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 21 KW 28 | 13.07.2011 |
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